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Der Sinn des Lebens
Ein kleines Mädchen wanderte lange Zeit über die Erde. Es streifte durch dunkle Wälder, überquerte reißende Flüsse, kletterte über die höchsten Berge und schwamm mit den Fischen im Meer.
Es war getrieben von einer inneren Unruhe, und es wusste, es würde nicht eher Frieden finden, als bis es Antwort auf seine brennende Frage erhalten habe. Irgendwann erreichte das Mädchen das Ende der Welt.
Dort traf es die Sonne. Sie glühte heiß und lodernd auf das Kind herab und drohte es zu verbrennen. Doch das Mädchen ließ sich nicht beirren und rief: „Feurige Sonne, sage mir, was ist der Sinn des Lebens?“ Da antwortete die Sonne: „Aller Dinge Sinn liegt darin, am morgen aufzugehen und hell zu leuchten!“
Nachdenklich verließ das Mädchen die Sonne und begab sich abermals auf Wanderung.
Nach einigen Tagen traf es auf den Mond. Kühl breitete sein Antlitz silbrige Nebel über das Mädchen, dass es zu erfrieren drohte. Doch das Mädchen ließ sich abermals nicht beirren und rief: „Kalter Mond, sage mir, was ist der Sinn des Lebens?“ Da antwortete der Mond: „Aller Dinge Sinn liegt darin, bei Einbruch der Dunkelheit durch die Schatten zu treten und beim ersten Licht des Morgens verbrennend unterzugehen!“
Da wurde das Mädchen noch nachdenklicher. Es verließ den Mond und lief viele Tage und Nächte, ohne Essen und Trinken, und ohne zu rasten.
Am Ende seiner Kräfte traf es schließlich auf die Sterne. In ihrer Vielzahl bildeten sie ein Zelt, das sich schützend über das sterbende Mädchen breitete.
Mit versagender Stimme flüsterte sie zu den Sternen hinauf: „Ihr Sterne, sagt mir, worin liegt der Sinn der Sinn des Lebens?“ Da antworteten die Sterne: „Kleines Mädchen, du kannst am Tage aufgehen und hell leuchten. Du kannst in die Dunkelheit treten und untergehen. Doch das wahre Geheimnis darin ist, dass du beides, weder Auf- noch Untergang, weder Freud noch Leid, weder Krankheit noch Genesung, niemals alleine bestehen wirst, sondern nur in den trostspendenden Armen der Freundschaft, in der es gilt, füreinander da zu sein.“
( von Anja Röder )
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