Der abstrakte Rosenkuchen - ein Erfahrungsbericht

Epitaph

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"Was ist nur mit den Männern und Frauen los, heutzutage? Die Jungs werden immer besser in der Küche und die Mädels machen immer weniger in der Küche. Mein Sohn kocht viel besser als meine Tochter und die ist älter als er!". Nun, dass ich andere Talente habe, tut zu dem Thema nichts zur Sache, und ich hielt mich bedeckt.

Ja, diese Situation ist noch gar nicht so lange her und genau daran hatte ich mich erinnert, als mein Bruder heute die Backmischung herausholte und freudig verkündete:
"Heute mache ich einen Rosenkuchen!"

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Nun, Kochen und backen kann er, schafft er schon. Davon war ich überzeugt. Schließlich hatte er mir vor einigen Jahren beigebracht: Erst das Fett in die Pfanne, dann die Spiegeleier :idea: ...und ich wunderte mich noch, warum die bei mir immer anbrannten :lol:

Nunja, nach langjähriger Erfahrung schaffe ich es zumindest, Tütenpudding ohne großer Zwischenfälle fertigzustellen.

Ich blieb in der Stube sitzen, sah weiter in die Glubbe und freute mich auf den leckeren Kuchen. Irgendwann stapfte er ganz ungläubig zu mir, hielt mir den Teig unter die Nase mit der Frage: "Juli, gehört der Teig sich wirklich so? Den kann man gar nicht ausrollen" Nun, da hätte er fast genauso gut eine Zimmerpflanze fragen können. Wäre die ein paar Jahre in der Küche gestanden, hätte sie wahrscheinlich mehr dazu sagen können, als ich. Ich hielt den Finger rein und der Teig war, ja das verstand sogar ich, viel zu weich. "Hast du ihn ziehen lassen wie es auf der Packung stand?", fragte ich, in der Hoffnung, das Problem sei gelöst. Doch wider erwarten gab er mir zu verstehen, er hatte alles genau so gemacht, wie es auf der Packung gestanden hatte. Die Zutaten aufs Gramm genau abgewogen, den Teig genau so lange ziehen lassen, wie es dort stand und trotzdem war er so weich und klebrig, dass man ihn gar nicht fassen konnte. Ich ging in die Küche und sah mir die Mohnfüllung an, die er auch schon längst vorbereitet hatte. Sie war auch viel zu flüssig.

Zwei Seufzer.
Ratlosigkeit.
Resignation? -
Nein! Auf zum Kampf ... oder? :oops:

"Um einen Teig auszurollen, muss man erstmal Mehl auf dem Tisch verteilen, sonst bleibt der Teig garantiert kleben", erklärte ich ihm ganz altklug. Ich sah, wie hinter seinen Augen ein Lichtlein aufging. Das war jedoch nicht das einzige Problem. Ich deutete auf das Mehl, und sagte ihm, er solle etwas Mehl in den Teig geben. Er tat wie geheißen, und ich knetete pflichtbewusst. Doch nach der ersten Ladung war keine Veränderung zu sehen. Nein, nichtmal mit viel Fantasie! :shock: Noch eine Ladung Mehl. Noch eine. Noch eine...?
Nach dem vierten Mehlschub war eine Veränderung festzustellen und wir legten den Teig vorsichtig auf den Tisch. Uff, Problem gelöst.
Dachten wir.

Mein Bruder rollte den Teig aus, der wagte es dann doch tatsächlich, noch am Nudelholz kleben. Mehl auf den Teig gestreut und auch das ließ sich machen. Wir wiegten uns schon in Sicherheit, doch dann bestätigte sich mein Verdacht. Die Füllung war auch viel zu flüssig geworden. Bemüht unbeirrt gaben wir die Füllung auf den Teig (während ich sie mit meinen Händen verteilte :D) und mussten erstmal aufpassen, dass sie nicht abhaut :shock: "Ränder einrollen", war die brilliante Idee meines Bruders. Das gab den ersten Lacher.
Nun standen wir wie der Ochs' vor'm Berg und wussten, wir mussten den Teig einrollen. Wir wussten aber auch, dass die Füllung uns nicht leiden konnte, und jede Gelegenheit nutzen würde, das Weite zu suchen. Ich dachte schon, wir müssten den mit Mohnfüllung belegten Teig wie eine Pizza in den Ofen schieben, da begann mein Bruder schon, den Teig einzurollen. Mir stellte sich sämtliche Körperbehaarung hoch, als ich sah, wie nahezu unmöglich das Vorhaben tatsächlich war. Die Füllung ließ sich nicht einrollen, sondern zog es vor, sich immer wieder vorzuschieben.
"Vielleicht sollten wir den Teig erst ein wenig anheben und dann einrollen, so schnell wie möglich, damit die Füllung nicht abhauen kann!", war mein - zugegeben verzweifelter - Versuch, die Situation zu retten. Natürlich klappte es nicht - die Füllung war schneller. Da blieben wir dann erstmal stehen und lachten uns halbtot über unsere Unfähigkeit und diesen dämlichen Kuchen, der mehr eine Cremesuppe war :lol:

Letztendlich wurde er dann weniger gerollt, sondern eher gewaltsam gefaltet und oben schön zusammengedrückt, damit er nicht auslief. Was er dann doch irgendwie tat.
Das Ding sah so erbärmlich aus, dass wir vor Lachen bereits keine zwei Worte mehr herausbrachten. Tja, nun war es wenigstens keine Mohnpizza, sondern eine unförmige Mohnroulade.

Tja, nun hätten wir sie in dicke Streifen schneiden und vertikal in die Form legen sollen, doch das ganze Ding war einfach viel zu weich und viel zu flüssig.

Wir entschieden uns das Ding in voller Länge zu lassen. Dann war's halt 'ne Roulade und kein Rosenkuchen.

Nun war guter Rat teuer, denn blöde Ideen hatten wir zu genüge.

1. Die Roulade in voller Länge in die Form legen: unmöglich, weil zu lang.
2. Die Roulade um die Ecke legen (quasi in L-Form): auch blöd.
3. Stockbettkuchen! :arrow: In der Mitte 'knicken' und aufeinander 'stapeln'. - Erntete nur vor Lachen tränende Augen.

Dann kam ich auf die brilliante Idee, die Roulade zusätzlich längs einzurollen. Mein Bruder glotzte blöd und als ich es tatsächlich tat, lachte er sich nur noch schlapp. Ich ebenfalls. So extrem gelacht wie in diesem Moment hatten wir beide schon lange nicht mehr :D
Als ich etwa ein Drittel eingerollt hatte, riss der Teig auf und an den Seiten quoll die Mohnfüllung hervor.
Mein Bruder musste sich vor Lachen setzen. Ich rannte auf Toilette und schaffte es gerade noch. Als ich herauskam, war bereits noch mehr Füllung herausgequollen und letztendlich machten wir Nägel mit Köpfen. Hau-Ruck und schon war das Ding in die Form gehieft, so unförmig wie es war. Noch ein bisschen Deko ...

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Erinnert eher an ein halbes Hähnchen.

Und so kam der Hähnchenrosenrouladenkuchen dann ins Solarium.

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Er brauchte auch nicht 45 Minuten wie auf der Packung sondern über 60 Minuten ...

Fazit:
Wir machen nie wieder Rosenkuchen. Das ist ab jetzt immer Mami's Job.

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Tadaaa!! :lol:

Hey, aber geschmeckt hat er trotzdem!
... Julia (19) und Eduard (15) sagen Tschüüüüss! :wink:
 
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:lol: ohgott, nachdem ich den beitrag onlinegestellt hatte, hab ich mich sooo geschämt, dass ich ihn am liebsten wieder gelöscht hätte :shock: :lol: :lol: :lol:

Hehe, ich weiß nicht, ob das allgemein als gültig gesehen werden kann, aber mein freund und mein bruder kochen beide besser als ich. Da denke ich gern an die panierten Fischfilets zurück, die man echt nur inner Pfanne anbraten musste, und bei mir fielen die total auseinander, waren außen schwarz und innen fast roh während sie bei meinem bruder perfekt wurden ... *seufz*

Stollen? :roll: Ich hoffe sehr, dass das Ding ein Einzelstück bleibt ... :oops:
 
:lol: :lol: geniale Geschichte!!!!!

Mal ehrlich... Ich bin einfach nur zu faul um mich in die Küche zu stellen und für mich alleine (da ich mich aufgrund meiner Bodybuildingambitionen anders ernähre als andere Leute) zu kochen...
Und wie hat meine Ma (die immer sehr viel Wert darauf gelegt hat, dass ich emanzipiert bin) mal gesagt: "Es ist noch niemand verhungert weil er nicht kochen konnte!" und sie hat meiner Meinung nach Recht!
 
:lol: Da hat deine Mami aber recht! :D

Ich würde gerne gut kochen können, aber irgendwie fehlt mir da so das, ich nenne es mal, fingerspitzengefühl. Ich muss Pfannkuchen auch immer erst x-mal anheben um zu gucken, ob ich sie jetzt umdrehen kann. meine Mutter hingegen lässt die einfach liegen und dreht sie im richtigen moment um. :?

Bin noch auf der suche nach dem perfekten Kochbuch für mich ...
 
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Epitaph schrieb:
"Tadaaa!! :lol:

Hey, aber geschmeckt hat er trotzdem!
... Julia (19) und Eduard (15) sagen Tschüüüüss! :wink:

Und das ist doch die Hauptsache und sicher hattet ihr im Nachhinein auch Euren Spaß darüber. Ich denke jedem mißlingt mal was und wenn man Anfänger ist dann darf es das auch.

Ihr kennt doch den Spruch: Übung macht den Meister :wink:
 
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